„Amys Universum“
Taschenbuch: 220 Seiten
Verlag: scholz Verlag
Auflage: 1. (20. September 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3956480236
ISBN-13: 978-3956480232
Größe: 19 x 13,4 x 1,2 cm
Inhalt
Wie eine Bombe platzt Sam in das eintönige Leben der verheirateten Amy, und plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Geschmeichelt erliegt sie seinem hartnäckigen Interesse und lässt sich auf ein erotisches Abenteuer ein.
Doch während Amy rasch tiefe Gefühle entwickelt, scheint es für den jungen Werbedesigner nur eine unverbindliche Liebelei zu sein.
Verzweifelt versucht sie, seinen eisernen Panzer zu durchdringen. Doch Sam zeigt sich unnahbar, und Amy zerbricht fast an dem emotionalen Desaster.
Als ihr Mann hinter die Affäre kommt, spitzt sich die Situation zu und nimmt eine überraschende Wendung.
Normalerweise liebe ich es, an diesem Platz zu sitzen.
Ich komme oft hierher. Nach jedem Treffen habe ich mir Zeit genommen. Ich bin die wenigen Schritte von unserem Haus die Straße entlang gelaufen, den Hügel hinauf auf die Apfelbaumwiesen und habe mich auf die kleine Steinbank gesetzt, die dort unter einem der alten, knorrigen Bäume steht. Den ganzen Sommer über bin ich hierher gekommen. Und den Herbst.
Ich hatte mich zurückgelehnt, in den blauen Himmel über mir geblickt. Hatte die Sonne genossen, die mir mit ihren flimmernden Strahlen die Haut wärmte. Es war herrlich still um mich herum. Nur das Summen der Bienen war zu hören, die auf den Blumen übersäten Wiesen unablässig ihre Arbeit verrichteten. Das Röhren der Motoren auf der weit entfernten Landstraße war nur dann zu hören, wenn der Wind von Osten wehte.
Ich genieße die wenigen Augenblicke der Abgeschiedenheit, in denen ich hier ganz für mich bin. Es ist angenehm. Ich muss nicht sprechen, mich um niemanden kümmern. Im Schutz des Baumes, verborgen hinter einem hohen, dichten Brombeergebüsch kann ich ungestört ich selbst sein und meine Gedanken treiben lassen. Ich rufe mir jede Berührung ins Gedächtnis, um mich daran zu laben wie ein Verhungernder an einem verschimmelten Stück Brot. In Gedanken durchlebe ich jeden einzelnen Moment, den er mir geschenkt hat. Wenn ich die Augen schließe und tief einatme, nehme ich seinen Geruch wahr, der noch immer an meiner Haut haftet.
Normalerweise liebe ich es, an diesem Platz zu sitzen. Heute nicht.
Es ist Winter. Der Wind zerrt erbarmungslos an meiner dicken Jacke und fährt mir mit seinen eisigen Fingern durchs Haar, als wolle er mich vertreiben. Die Bank war schneebedeckt gewesen. Ich hatte sie erst von ihrer glitzernden, unberührten Pracht befreien müssen, um mich auf ihr niederlassen zu können. Fest schlinge ich die Arme um den Körper, um das letzte bisschen Wärme zu halten, das er mir mitgegeben hat. Ich schließe die Augen, atme tief. Doch sosehr ich mich bemühe, ich rieche ihn nicht. Als hätte er mich nicht berührt. Als hätte er mich nicht geküsst und ich nicht in seinen Armen gelegen.
Es ist, als hätte es ihn nie gegeben.
Mein Schoß wird feucht. Während sich Schneeflocken zart wie seine Hände auf meine Haut legen, spüre ich, wie seine Lust langsam versickert. Verzweifelt presse ich die Beine zusammen, um ihn in mir zu halten. Doch mit jedem Tropfen verschwindet er. Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Es brennt, als habe jemand ein Feuer in meiner Brust entzündet. Ich wünsche, zu Asche zu verbrennen, um den Qualen zu entgehen, die auf mich warten. Hoffnungslos schlage ich die eiskalten, blutverschmierten Finger vors Gesicht und weine. Über meine Lippen stürmen Worte der Verzweiflung. Ein immer wiederkehrendes nein. Schluchzer schütteln meinen Körper, während der letzte Rest seiner Liebe unaufhaltsam aus meinem Schoss rinnt.
Heute kann ich hier sitzen, solange ich möchte. Niemand erwartet mich zuhause. Niemand macht mir einen Vorwurf, woher ich komme oder wo ich so lange geblieben bin. Zuhause ist alles dunkel. Einsam. Leer.
Ein Rabe krächzt heiser. Mit wildem Flügelschlag lässt er sich auf den kahlen Ästen des Baumes mir gegenüber nieder. Er hält seinen Kopf schräg. Seine kleinen, schwarzen Knopfaugen betrachten mich voller Neugier. Dann schwingt er sich hinauf in den grauen Himmel. Ich schließe meine Augen, und gemeinsam mit ihm fliegen meine Gedanken davon. Fliegen zu jenem Tag, an dem sich mein Leben für immer verändert hat.
Es war ein lauer Sommerabend Ende August gewesen. Wie geschaffen für einen Tag, an dem man jemandem begegnet, der einem, ohne zu fragen, mit einem Lächeln das Herz aus dem Leib reißt…