Die Hitze der grellen Scheinwerfer brachte mich um. Die Haut auf meinem Gesicht brannte. Sie fühlte sich an wie getrocknetes Pergament. Einzig das Blut, das mir über die Wange den Hals hinablief, schenkte mir etwas Erleichterung. Die Pfiffe und Schreie der Menschen mischten sich mit dem rythmischen Klatschen ihrer Hände und dem Stampfen ihrer Füße zu ohrenbetäubendem Lärm. Er bohrte sich in meine Ohren wie glühende Nadeln und spornte mich dabei noch mehr an. Ich konnte nicht heraushören, ob die irrsinnig gewordene Meute mich anfeuerte oder zum Teufel wünschte. Vermutlich Letzteres. Immerhin war ich drauf und dran, ihrem Champion das Genick zu brechen. Ich versuchte sie auszublenden und biß die Zähne zusammen. Ich konzentrierte mich ausschließlich auf den Griff um seinen Hals und meinen Versuch, ihn zu fixieren. Immer wieder rutschten mir die Beine weg, da sie auf dem blutverschmierten Boden nirgendwo Halt fanden. Trotzdem gelang es mir, ihn zu halten. Der Schweiß brannte mir in den Augen. Ich blinzelte mehrmals. Angestrengt vermied ich sogar zu atmen. Ein einziger Zug in meine Lungen würde den Sieg aufs Spiel setzen, das spürte ich mit jeder Faser meines geschundenen Körpers. Einen Sieg, auf den ich seit geschlagenen zwanzig Minuten hinarbeitete. In denen ich alles gab, was Kenny mir je beigebracht hatte. Einen Sieg, auf den ich mich seit mehr als drei Monaten vorbereitet hatte. Ich drückte fester zu. Mein Gegner röchelte. Er versuchte sich aus meinem eisernen Würgegriff zu winden, ohne den Hauch einer Chance. Keine Ahnung, wie ich ihn in diese Stellung gebracht hatte. Scheißegal. Jetzt gehörte er mir. Seine Gegenwehr schwand mit jedem Herzschlag. Ich versuchte, nicht auf sein Röcheln zu achten, drückte noch fester zu, lehnte meine Schulter mit aller Kraft gegen sein Gesicht. Dann verlagerte ich mein Gewicht nach vorn. Die Menge johlte gepeinigt auf, als mit lautem Knacken sein Kiefer brach. Das Adrenalin schoß noch einmal durch meine Zellen, ließ mich vergessen, was ich tat. Es ließ mich alles Menschliche vergessen, verwandelte mich in eine präzise arbeitende Maschine. Ich wartete. Auf das Schlagen seiner flachen Hand gegen die Holzbohlen des Bodens. Das Zeichen, dass er aufgeben würde, mich bat, von ihm abzulassen. Dass er es nicht tat, spornte mich nur noch umso mehr an. Wieder verlagerte ich mein Gewicht und versuchte, seinen Kopf in einen anderen Winkel zu drehen. Das Kreischen und Protestieren der Zuschauer wurde immer lauter. Im Augenwinkel sah ich Kenny. Er stand direkt am Gitter des Oktagon. Seine Finger krallten sich zwischen die Maschendrähte. Sein Mund bewegte sich hektisch, doch seine Stimme erreichte mich nicht. Ich verstand kein Wort. Feuerte er mich an? Wollte er, dass ich es zu Ende bringe? Ich wusste es nicht. Ich warf einen raschen Blick auf Davis, den Trainer meines Gegners. Sein dickes Gesicht war wie versteinert. Er starrte bewegungslos in den Ring, das Handtuch zwischen den Fingern, machte jedoch keinerlei Anstalten, es zu werfen. Unsere Blicke trafen sich. Nur den Bruchteil eines Augenblicks. Seine Lippen verzogen sich verächtlich. Dann spuckte er auf den Boden. Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Griff. Und darauf zu tun, was man von mir erwartete. Ich würde es zu Ende bringen. Würde ich siegen, brachte es mir 20.000 Dollar. Würde ich ihn töten, das Dreifache. Wir kämpften nach der Vale-Tudo Regel: Alles geht. Obwohl diese unmenschliche Regel längst verboten worden war. Aber unser Kampf heute war kein offizieller Kampf. Es war einer jener Kämpfe, die im Verborgenen ausgetragen wurden. Bei denen mehr Geld raussprang, als bei den Offiziellen, Menschen ihr Hab und Gut verwetteten. Bei denen nach dem Kampf in Windeseile das Blut vom Boden gewischt, der achteckige Käfig, in dem man kämpfte, abgebaut wurde und alle in ihre düsteren Löcher zurückkrochen, aus denen sie gekommen waren, um dem Spektakel beizuwohnen. Noch einmal mobilisierte ich meine Muskeln, all meine Kraft, pumpte Adrenalin durch meinen Körper. Ich presste meinen Gegner mit vollem Gewicht auf den Boden. Tief sog ich Luft in meine Lungen. Ich schloß die Augen und wartete auf die Stille kurz vor dem Ende, die mich jedes Mal erfasste. Es wurde still. Ruhe durchfloss mich. Die Zeit zerfloss zu einem Nichts, in dem ich nur noch die Spannung in meinem Körper spürte. Die kreischenden Zuschauer rückten in weite Ferne. Ein letztes Mal sah ich zu Kenny. Er erwiderte meinen Blick, nickte. Dann drückte ich zu, bog Juris Kopf nach hinten, immer weiter. Millimeter für Millimeter. Als sein Genick brach, verstummte die Menge.